Zwetschgen, Pflaumen – oder wie?

Früher, ganz früher, kaufte ich immer Pflaumenkuchen. Wenn ich welchen gebacken habe, war es einfach nur Pflaumenkuchen.

Später glaubte ich, es wäre eine regionale Spezifikation. Die einen sagen so, die anderen eben so.

Neulich hat mich das Leben eines besseren gelehrt.

In Ravensburg haben wir einen schicken Supermarkt. Dort erledige ich gern meine Einkäufe. Gutes Angebot, angenehme, höfliche, saubere Atmosphäre ist das eine. Das andere, es ist so toll zu erleben, wie viele Menschen verschiedenster Nationalitäten dort beschäftigt sind und auch einkaufen. Deutsch ist Firmen- wie auch Kundensprache.
Und außerdem gibt es dort meinen Lieblingsbäcker.

Ich reihte mich also in die Schlange ein. Vor mir wurde lebhaft diskutiert. Meine Neugier ließ meine Ohren spitzen. Aha, es ging um den Zwetschgenkuchen, der im Angebot ist. „Noi!“, rief eine Frau im schwäbischen Dialekt. „Zwetschgen sind Zwetschgen und Pflaumen sind Pflaumen! Das hier sind Zwetschgen.“ Ein kräftiger großer Mann mit einer tiefen Stimme, im russischen Slang, die er aus seinem mächtigen Körper holte, meinte bestimmt: „Zwetschgen sind Pflaumen. Alles sind Pflaumen. Ihr sagt nur Zwetschgen.“ Die Dame vor mir wehrte sich: „Zwetschgen sind Zwetschgen. Die werden zum Backen genommen. Pflaumen sind Pflaumen, die werden zu weich beim Backen. Da kann man nur Mus draus machen.“ Ein anderer drehte sich um. „Ich glaube“, sagte er, „irgendwie sind das alles Pflaumen. Da gib es verschiedene Sorten. Aber wie das mit den Zwetschgen ist, ob das hier wirklich nur so gesagt wird? Ich weiß es nicht.“ Die Dame vor mir wandte sich an mich: „Was meinen sie?“ „Ich weiß es nicht“, sage ich und schaue fragend die Verkäuferin hinter dem Tresen an. Die hebt die Schultern, schüttelt den Kopf. „Ich weiß es auch nicht so genau. Irgendwie sind das bei uns immer nur Zwetschgen. Wenn einer einen Pflaumenkuchen will. Bekommt er den Zwetschgenkuchen. Ich glaube, das ist das Gleiche.“

Aha, ist es wirklich so? Ich bin der Sache mal nachgegangen.

Es gibt da tatsächlich einen Unterschied. Die Zwetschge ist eine Unterart der Pflaume.

Die Pflaume ist etwas größer, eher rund. Die Zwetschge etwas kleiner und oval. Der Stein der Pflaume lässt sich schwer vom Fruchtfleisch lösen, hingegen ist es bei der Zwetschge kein Problem. Das Fruchtfleisch der Pflaume ist süß, locker und weich; das der Zwetschge fest und trockener. Und das ist der Hauptpunkt, weshalb die Zwetschge zum Backen verwendet wird. Das feste Fruchtfleisch mit weniger Saft lässt den Boden des Kuchens nicht durchweichen. Und die Dame, die meinte, dass die Pflaume gut ist, um Mus zu kochen (natürlich auch Konfitüren, Marmeladen u. ä.), hat recht.

        (links Zwetschge, rechts Pflaume)

Heute bin ich etwas schlauer.
Lasst Euch Euren nächsten Zwetschgenkuchen schmecken.

Herzlich, Eure Petra Kolossa.

3 Gedanken zu “Zwetschgen, Pflaumen – oder wie?

  1. Petra toll, wie du das Zwtschen/Pflaumen Dilemma anschaulich und verständlich auf den Punkt gebracht hast.
    Übrigens ist so manches Pflaumenmus in Wahrheit auch eher ein Zwetschgenmus.
    Herzliche Grüße von Britta

  2. Super Petra, endlich habe ich ne Erklärung! Ich war auch immer der Meinung, die Zwetschge wäre nur ein badischer Sprachgebrauch! Ich kannte von meiner Mutti nur Pflaumenkuchen, sie ist Berlinerin. Jetzt kann ich ihr den Unterschied erklären, danke für Deine Info!

    LG Babsi

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