Handwerk hat goldenen Boden, sagt man

Schuhe reparieren zu lassen, ist in unserer heutigen schnelllebigen Zeit nicht mehr gang und gäbe. Ich tue es hin und wieder. Dann, wenn ich meine Schuhe besonders gern mag, diese verdammt teuer waren oder es aus meiner Sicht keinen äquivalenten Ersatz zeitnah gibt.

Einen Schuhmacher mit Herz und Seele zu seinem Handwerk zu finden, kommt dem Suchen nach der Stecknadel im Heuhaufen nahe. Fixe Reparaturen oder das Auffrischen der Absätze übernehmen inzwischen Servicepoints in Supermärkten, die das während meines Einkaufes erledigen. Wer braucht da noch einen Schuhmacher …

OK. Ich brauchte einen. Meine Stiefel mussten repariert werden. Also Absätze, Spitzen, ein Riemchen war gerissen … Es war nicht das erste Mal, dass ich diesen Schuhmacher aufsuchte. Wenn die oben genannten Punkte nicht zutreffen, entsorge ich meine Schuhe. Denn eines ist Fakt: Die Reparaturkosten kommen oftmals dem Anschaffungspreis meiner Schuhe gleich. – Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Handwerk hat seinen Preis. Ich kann das gut nachvollziehen. Das Material ist wahrscheinlich sekundär. Was den Preis der Reparatur ausmacht, ist der Stundenlohn. Und das macht diese Branche absolut zur Niesche. Und wenn sie nicht bereit sind, einen besonderen Service zu leisten, also etwas ganz Spezielles und Hochwertiges zu sein, wird das Schuhmacherhandwerk weiter schrumpfen.

Meine Stiefel gab ich also dort ab. Ein paar Tage später erhielt ich einen Anruf dieses Schuhmachers. Er wies mich darauf hin, dass meine schönen und guten Stiefel eine Synthetiksohle hätten, in denen ich im Winter keinen guten Halt habe. Er empfiehlt mir, eine ABS-Sohle aufzubringen. OK, dachte ich. Soll er es tun. Das nenne ich einen aufmerksamen Service.

In einer weiteren Woche waren meine Stiefel fertig gestellt und ich konnte sie abholen. Knapp neunzig Euro musste ich berappen. Ich nahm meine zwei paar Stiefel entgegen. Und betrachete mir die geleisete Reparaturarbeit. Ein Paar nahm ich, das andere ließ ich dort. Ich bat, die losen Absätze nachzuarbeiten. So käme ich nicht durch den Winter. Entsetzt, über meine Bitte erhielt ich einen Vortrag, dass dieser Schuhmacher seit über fünfundzwanzig Jahren seine Arbeit immer gut erledige und es noch niemals Beschwerden gab. Ich sagte, dass ich mich nicht beschwert habe. Es sei eine Bitte. Die Schuhreparatur war mit einem Mangel und er solle es bitte korrigieren. Noch niemals habe es eine Reklamation gegeben … Ich bezahlte das eine Paar Stiefel ließ mein zweites dort.

Eine Woche später erhielt ich die Mitteilung, dass die Stiefel fertig seien. Das traf sich gut. Ich wollte sie gern auf eine Reise mitnehmen. Die Zeit war bei mir knapp und ich versuchte, das irgendwie zwischen den Terminen zu erledigen. Ich rief dort an und bat, fünf Minuten nach zwölf Uhr dort meine Stiefel abzuholen.

„Wir schließen 12 Uhr!“

„Ich weiß. Deshalb rufe ich sie an. Sie merken, ich sitze im Auto und ich bin auf dem Weg zu ihnen.“

„Wir schließen 12 Uhr. Nicht fünf Minuten nach zwölf, nicht zehn Minuten nach zwölf und auch nicht fünfzehn Minuten nach zwölf.“

„Es sind noch sechs Kilometer, also sechs Minuten. Dann bin ich bei ihnen.“

„In sechs Minuten ist es vier Minuten nach zwölf. Sie können jemanden schicken, wenn sie es nicht schaffen. 15 Uhr öffnen wir wieder.“

„Das ist mir nicht möglich. Danke, für ihre Freundlichkeit.“

Eine weitere Woche später, am Samstag fahre ich dort hin, um nun endlich meine Lieblingsstiefel abzuholen. Die Mitarbeiterin sieht mich. Nimmt die Stiefel, reicht sie mir. „Noch 56 Euro müssen sie bezahlen.“ Ich schaue mir die Absätze an und streiche mit meinem Finger darüber. Der Absatz löst sich. Er wurde nicht repariert, sondern nur festgedrückt. Es war der Kollegin sehr unangenehm. Ich schaue ihr in die Augen und frage sie, ob sie eine solche Arbeit für diesen stolzen Preis entgegen nehmen würde. Sie verneinte …

Nun gut. Meine Stiefel sind also noch immer in der Reparatur. Ich bin überzeugt, dass ich die bis dahin vergoldeten schicken Teilchen bald repariert tragen kann.

Ich weiß es nicht, ob ich noch einmal Lust haben werde, diesen Schuhmacher in seinem kleinen Geschäft aufzusuchen. Ich entdecke für mich keinen Mehrwert, es nimmt mir die Lust. Ich weiß, wie viele Stunden ich gearbeitet habe, um die Kosten für die Reparatur meiner Stiefel zu bezahlen. Es sind meine Arbeitsstunden, die ich mit meiner Leistung erfülle und dafür entlohnt werde. Und nur dafür. Wenn ich dieses Geld ausgebe, will ich es in gewissem Maße zelibrieren, also gern für die mir entgegen gebrachte Leistung, den Service bezahlen. So, wie ich im Supermarkt nichts in den Einkaufswagen schmeiße, weil mir bewusst ist, dass ich für jedes einzelne Stück zuvor an anderer Stelle das Geld dafür erwirtschaftet habe.

Gehen wir doch einfach respektvoll miteinander um. Und manches Mal öffnet ein klitzeleines Entgegenkommen das Herz des anderen ganz weit …

Herzlich, Eure Petra Kolossa.