Gedanken am Bügelbrett

Es gibt Dinge, die kaum einer gern tut. Zum Beispiel Wäsche bügeln. Nun mag es absurd klingen, aber ich mache das total gern.

Ich liebe es, wenn die Wäsche duftend, akkurat gestapelt und gerade auf den Bügeln hängend im Schrank wieder ihren Platz gefunden hat.

Ich bin gefangen an diesem Bügelbrett. Es is eine routinierte Tätigkeit und ich kann meinen Gedanken freien Lauf lassen. Alles Wichtige und Unwesentliche frequentiert mein Hirn. Und so manche gute Geschichte entstand an meinem Bügelbrett. Ich schlage also zwei Fliegen mit einer Klappe. Produktive Hausarbeit plus Denkzeit.

Vor ein paar Tagen traf ich auf eine Familie. „Darf ich ihnen einen Kaffee anbieten?“, wurde ich gefragt. Ich bejahte die Frage. „Filterkaffee oder einen schnellen aus einer Kapsel?“ Ich entschied mich für den schnellen. „Das kostet fünfzig Cent Ablass an die Mädchen.“ Die Sechszehnjährigen saßen am Tisch und hielten mir grienend die ausgestreckte Hand entgegen. Ich begriff den Sinn sofort und fragte sie, wohin das Strafgeld denn ginge, das sie ökologisch-pädagogisch auf diese Weise eintreiben. Nun, sie bräuchten das für ihre Umweltaktionen, wurde mir erklärt. Ich zahlte meinen bösen Kaffee und verzichtete auf eine Diskussion.

Während meines Gespräches mit der Mutter bemerkte eine der Töchter, dass diese wahrscheinlich ihr T-Shirt trug. Sie unterbrach das Tippen auf ihrem iphone und sprach sie prompt darauf an. Sie empörte sich, wie das sein könne.

Die Mutter breit lächelnd: „Du erwartest von mir, dass ich die Wäsche bis maximal zwanzig Grad, mit einem Waschball und dem Kurzprogramm der Waschmaschine wasche und an der Luft trockne. Ein Bügeleisen zu verwenden sei unnötiger Stromverbrauch und ein Tabu. Meine gute Bekleidung kann ich nach dieser Prozedur so nicht tragen. T-Shirts habe ich üblicher Weise keine. Also nahm ich dieses hier. Nach dem Gespräch werde ich mich um meine Bekleidung wieder nach meiner Methode kümmern.“

Der Teenager schaut seine Mutter an. „Wenn ich genau hinschaue, glaube ich nicht, dass das mein T-Shirt ist. Meins war weiß. Das du anhast, sieht nur so ähnlich aus.“ Die Mutter lacht. „Kind, das ist deins. Gewöhne dich daran. Auf diese Weise wird die Wäsche nicht so, wie du es immer gekannt hast. Dein Auge wird es bald nicht anders wahrnehmen. Das neue Weiß wird für dich in nicht allzulanger Zeit das ganz richtige Weiß sein.“

Als ich die knapp einhundert Kilometer nach Hause fuhr, dachte ich über diese Begebenheit nach. Mein ökologischer Index ist höchstwahrscheinlich im roten Bereich. Ich bügele meine Wäsche, wasche sie mit einem guten Waschpulver. Ich liebe einen Weichspüler zu verwenden und gegebenenfalls sogar noch einen Hygienespüler. Die Waschtemperaturen wähle ich entsprechend der Notwendigkeit. Ich genieße meinen Kaffee aus der Kapsel und tanke Diesel.

Wenn ich allein für nur diese Sünden je fünfzig Cent zahlen müsste, würden die ausgestreckten Hände der Mädchen gut gefüllt.

Ein Gedanke jagt den nächsten. Welch ein Irrsinn ist das eigentlich. Dem erhobenen, belehrenden Finger folgt Bestrafung bei Missachtung mittels Strafgelder. Die aus einer negativen Handlung erpressten Gelder werden für vermeintlich positive Zwecke benutzt. – Die Kinder tuen genau das, was sie vorgelebt bekommen. Eine Erwartung wird an die Kinder gestellt. Erfüllen sie diese nicht, werden sie in irgedeiner Weise gerügt, bestraft. Eine Korrektur ihres Verhaltens wird vorgenommen, sozusagen ihre Zahlung. Eine friedliche Atmosphäre zum Beispiel ist der positive Effekt. Ein Effekt, der durch Nötigung, aber nicht durch Einsicht geschah.

Aber genau das sieht, hört und erlebt unser Nachwuchs Tag für Tag: Strafgelder für alles Mögliche. Es wird sich nichts in eine positive Richtung wandeln, wenn der Prozess nicht durch den eigenen Kopf eine Selbsterkenntnis erfährt. Alles andere ist Angst. Angst, etwas Falsches zu tun. Angst, nicht gut zu sein. Angst, bestraft zu werden. Angst, den aufgesetzten gesellschaftlichen Erwartungen nicht gerecht zu werden …

Bevor mich meine Gedanken von einem zum anderen tragen, ziehe ich jetzt den Stecker vom Bügeleisen und höre auf zu philosophieren.

Habt alle einen schönen Sonntag.

… und ich freue mich, wenn Ihr das Kommentarfeld aktiv benutzt. Denn gern möchte ich Eure Meinung erfahren.

Herzlich, Eure Petra Kolossa.

2 Gedanken zu “Gedanken am Bügelbrett

  1. Ja , genauso sieht es aus. Die , die uns ein schlechtes Gewissen machen, sind dieselben, die von unseren Sünden oder besser von unserer Buße und unserem Ablass profitieren. Die Kombination von Schuld und Angst zur Manipulation der Massen ist keine neue Idee. Dieses Werkzeugs bedient sich z. B. die Kirche seit Jahrhunderten.

    • Danke, dass Du die Kirche erwähnst. Ich hatte sie ganz bewusst ignoriert und blieb im Großen und Ganzen.
      Ich unterstütze Deine Meinung vollkommen. Nirgendwo wird die Angst derart instrumentalisiert, wie in der Kirche.
      Angst macht den Menschen klein, wenn er nicht die Mittel hat, sich freizukaufen. Leider stimmt das Verhältnis nicht. Und so gibt es eine große eingeschüchterte, ängstlich „funktionierende“ Masse.

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