Drehe Dich um …

… und schlafe einfach weiter! Das funktioniert bei mir nicht. Kurz nach vier Uhr war für mich die Nacht vorbei. Ich wollte das nicht, jedoch ist es immer das Gleiche. Werde ich wach, beginnt mein Hirn seine Arbeit und trägt mich von einem Gedanken zum anderen. Noch ein oder zwei Stunden weiterschlafen zu wollen, enden in zähem Hin- und Herwalzen. Und das ist alles andere als erholsam. Also stehe ich auf.

Ich lasse den ersten Kaffee aus der Maschine und hole den letzten Gedanken zurück, den ich hatte, bevor ich die Bettdecke zurückschlug, um aufzustehen.

Schon vor zwei Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem jungen Mann, das mich etwas nachdenklich stimmte.

Ein junger Vater, Mitte oder Ende dreißig, studierter Apotheker, arbeite nebenbei an seiner Doktorarbeit, wie er sagte. Erst in der Nacht sei er aus dem Erdbebengebiet aus Syrien zurückgekehrt. Er sei für drei Tage dort gewesen, mit notwendigen Medikamenten im Gepäck. Ich fragte ihn, ob er keine Angst hatte. Er meinte, dass er nie Angst habe. Wer Angst hat, habe bereits verloren. Das Wichtigste, das jeder Mensch von beginn an lernen sollte ist, keine Angst zu haben. Angst sei eine Illusion. Ein Kind habe von Grund auf keine Angst, es sei denn, ihm wird Angst gelehrt. Es sei ein Verbrechen, das zu tun. Damit wird der Mensch gebeugt, seine Seele gebrochen.

Er spricht ruhig mit Akzent und warmer Stimme. Seit fast drei Jahren lebe er in Deutschland. Ich fragte ihn, ob er hier Freunde gefunden habe. Er lächelt. Nein, es sei ihm nicht wichtig, nicht jetzt. Wichtig ist es, dass die Familie gut ankommt, die Sprache lernt und mit der tatsächlich für sie sehr fremden Kultur lernt, zu leben. Er wisse nicht, wie lange ihre Zeit hier sein wird. Irgendwann, wenn die Familile zurückkehren wird, werden sie und vor allem die Kinder einen großen Schatz an Wissen mit nach Hause nehmen. Er sinniert. Freunde? In Deutschland sei es so: Erst die Arbeit, dann die Freunde, dann die Bekannten und dann die Familie. Das wichtigste sei hier der Eindruck nach außen. Was könnten die anderen denken, wenn ich dieses oder jenes tue? In seiner Kultur und Religion sei es so: Erst die Familie, dann die Arbeit, die die Familie und die Gesellschaft nährt und stärkt. Dann die Freunde. Freundschaften wachsen, man sucht sie nicht.

Seit ich mit dem jungen Mann sprach, gingen mir seine Worte immer wieder durch den Kopf. Ich reflektierte mich selbst und fühlte mich hier und da ertappt. Schaute aus meinem Dunstkreis in mein Umfeld und ich denke, der Syrer hat irgendwie recht. Die Familie hat in Deutschland einen völlig anderen Stellenwert und eine andere Wertigkeit als in anderen Ländern und Kulturen. Und je „moderner“ wir glauben zu werden, desto mehr verflüchtigt sich das Konstrukt „Familie“.

Ist das so? Wie siehst Du das?

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Habt einen fantastischen Mittwoch.

Aus dem heute ☀️igen Süden

Herzlich Eure Petra Kolossa

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