Miniurlaub für die Seele

Ein angenehm leichter Wind, um die zwanzig Grad, sonnig, ein paar Wolken. Mein Lieblingswetter. Es ist Morgen und ich genieße meinen Kaffee und ein paar frische saftige-süße Kirschen in der Morgensonne am kleinen Küchentisch.

Am Vorabend hatte ich mir einige Briefe, die ich schrieb bereitgelegt. Diese sollten unbedingt noch heute in den Briefkasten, denke ich. Das ist in Regel ganz einfach und irgendwie zur Routine geworden. Einer von uns nimmt diese mit. Also einfach ins Auto legen, beim nächsten Briefkasten einwerfen und schon ist es erledigt. Nun ist es aber so, dass mein Auto für eine Woche Urlaub in Italien macht. Natürlich könnte ich mir einen PKW bei lieben Menschen leihen. Das wäre kein Problem. Aber für diese banale Sache ist das nun wirklich nicht notwendig.

In unserem kleinen Ort gibt es den einzigen Briefkasten an der Bushaltestelle. Das ist der Kern unseres Dorfes mit einem Kindergarten, einem Parkplatz, einer Kirche und einem Friedhof. Da ich oben am Hang wohne, muss ich also nach unten an die Hauptstraße spazieren und dann wieder nach oben stapfen.

Also nehme ich die Briefe, den Schlüssel, mein Smartphone und marschiere los.

Da ich keine Lust habe, allein zu gehen, nehme ich Euch einfach auf meinem Weg mit.

Der Weg von der Steige zum Dorfkern und der gelbe Kasten in den ich meine Briefe versenkte.

Der Blick von dort in Richtung Dorfausgang mit dem Friedhof rechter Hand sowie der große öffentliche Parkplatz mit seinen zwei Ladestationen für Elektro-Autos. Ich fahre soooo oft dort vorbei. Ich sah ein einziges Mal ein Fahrzeug stehen, dass sich mit einer der Ladestationen verbunden hatte. Ansonsten sind diese Stellflächen ungenutzt. Wenn ich mich richtig erinnere, wurden die Ladesäulen vor etwa drei Jahren installiert.

Auf dem Weg zurück: Die ehemalige Schule und Rathaus. Ein Gasthaus, das schon lange keins mehr ist. Eine Wasserstelle und eine Bank im Schatten vor dem Aufgang zur historischen barocken Kirche “Mariä Geburt”. Hier ein Link für Euch. Es lohnt sich, den Beitrag zu lesen. Vor allem gibt es in diesem Fotos aus dem Innenbereich der Kirche.

Ich entscheide mich, nicht die Straße hinaufzustapfen, sondern den Weg durch das Kirchengelände zu nehmen. Einst eine Burg,  so thront jetzt die Kirche auf dem Hügel. Für 1219 Einwohner ist diese ein ziemlich großer Bau, denke ich und überlege, wieviel Prozent davon die Kirche besuchen werden. Ich habe keine Ahnung. Aber sie ist eine Wallfahrtkirche und genießt damit Besucherstrom und somit eine diverse Anerkennung.

Ein Blick aus der anderen Richtung zurück durch das Tor. Die  Gedenkstätte erinnert an den ersten und zweiten Weltkrieg. Die alte Linde hat ein wenig gelitten. Ist sie zu alt, hat sie ein Wetter gefleddert? Ich habe keine Ahnung. Daneben der Eingang zu dem Haus auf der Ecke unten an der Straße. Diesen Eingang entdecke ich zum ersten Mal. Es liegen sicher zwei Etagen dazwischen. Das Haus scheint man von oben zu betreten. Das macht mich neugierig. Das muss ich später noch einmal erforschen 😉

Das Tor zur Kirche ist geschlossen. Aber über diesen Link, kannst Du einen Bick hineinwerfen. Ich nehme den Weg an der Mauer entlang und fange ein paar Bilder dieses kleinen Ortes im südlichsten Süden Deutschlands für Euch ein.

… ein paar Impressionen vom oberen Kirchplatz.

Noch einmal ein Blick über den Platz. Ich sehe die Kirchturmuhr und muss lächeln, weil ich daran denke, wie oft ich das Fenster schließen muss, weil ich die Glocken oftmals als Lärm empfinde. Sie stören mich bei meinem Job, sie stören mich bei den Aufnahmen meines Podcasts “Hör-Cafè”. Es stört mich, dass sie in einem Viertelstundenrhythmus schlagen und mit jeder Stunde ein Gong zulegen. Ich achte während meines Spätdienstes penedrant darauf, kurz vor neunzehn Uhr, bevor das minutenlange Geläut einsetzt, alle Fenster geschlossen zu halten. Ein Telefonieren ist sonst nicht möglich. Welch eine Erleichterung war es, als die Turmuhr kaputt war! – Ein Arbeiten im home office unter erschwerten Bedingungen in einem klitzekleinen katholischen Ort in unmittelbarer Nähe einer Kirche nahe dem Bodensee …

Zurück und ein Blick von unserer kleinen Terrasse in mein Atelier und Büro. Das Futterhäuschen von dem ich vor längerer Zeit in einem Blogbeitrag geschrieben habe, umgarnt von duftenden und leuchtenden Sommerwicken. Und die lachsfarbene Rose, die wir in einer sehr guten Gärtnerei eigentlich als dunkelrote kauften,  noch mit einigen Regentropfen der Nacht auf ihren Blättern.

… vorbei am kleinen Teich mit den süßen schwarzen Molchen und den Seerosen, die bald aufblühen werden. Benny wartet auf mich und begleitet mich zur Haustür.

Und noch ein Blick von innen, durch das Fenster von meinem Schreibtisch aus nach draußen bevor mein Arbeitstag beginnt 😉

Insgesamt ist es ein kurzer Weg für den man nicht mehr als gemütliche zwanzig Minuten braucht.

Das Schöne ist jedoch, die eigenen Sinne zu schärfen und die Dinge, die auf den vermeintlich belanglosesten Wegen liegen, bewusst wahrzunehmen.

Das ist ein Miniurlaub für die Seele.

Einen schönen Tag wünscht Euch,

Eure Petra Kolossa.

Schöne Post. Es gibt sie.

Die Post brachte ihn in der letzten Woche. Ich halte diesen großen Brief in den Händen und ich muss lächeln. Bereits an seinem Umschlag erkenne ich, von wem er ist und ich weiß, dass ich ihn erst später öffnen werde. Es ist ein Ritual, irgendwie etwas Besonderes.

Der heutige Sonntagmorgen ist ruhig. Nur die Nachbarn, die  diagonal über die Straße ihr Häuschen haben, sitzen auf ihrer Terrase. Wahrscheinlich frühstücken sie gemeinsam mit ihren Kindern, die kürzlich in ihr eigenes Haus direkt neben ihren Eltern zogen. Rein theoretisch könnte ich ihren Gesprächen lauschen. Sie fühlen sich ungezwungen und schwatzen laut. Schließlich sieht sie keiner. Der Wind trägt ihre Worte direkt zu mir auf den Balkon. Mein Hirn will jedoch das genuschelte Schwäbisch nicht verarbeiten. Es gleicht einer Dolmetscheraufgabe. Dazu habe ich keine Lust. Wieviele Leute sind das, überlege ich. Den Stimmen der immer lauter werdenden Unterhaltung nach zu urteilen, vielleicht vier Erwachsene und zwei kleine fröhliche Kinder. Weshalb interessiert mich das, frage ich mich. Es interessiert mich nicht wirklich. Es stört nur meine morgendliche Sonntagsruhe, die ich erhoffte, auf unserem schön blühenden Balkon bei sommerlich warmen siebenundzwanzig Grad vorzufinden. Es ist nur meine Befindlichkeit, wahrscheinlich ein kleiner egoistischer Groll. Und ganz sicher ist ihnen nicht bewusst, dass der Geräuschpegel von deren Grundstück immer sehr intensiv den Hang nach oben transportiert wird. Es  ist ein Luxusproblem, also überhaupt kein Problem, wenn ich das auf eine Stadt übertrage. Hier im ländlichen Raum ticken die Uhren eben etwas anders, rechtfertige ich mich.

Ich lehne mich zurück, nehme den großen Umschlag und öffne den. Er ist von einer italienischen Kunstakademie. Sie laden mich ein- bis zweimal jährlich ein, an Ausstellungen teilzunehmen. In Italien stellte ich vor ein paar Jahren einige male aus. Ich denke, in diesem Zusammenhang erhalte ich diese Briefe.

Deren Briefe sind eine Wohltat. Es ist eine Wertschätzung. Bereits die Gestaltung des Briefumschlages und die höfliche Anrede lassen mich einige Sekunden verweilen. Ich werde als Frau angesprochen. Mein Vorname ist in Italien ebenso ein Männername. Es wäre also nicht verwunderlich, würde der Absender es neutral behandeln. In Deutschland wird inzwischen oftmals die Anrede komplett ignoriert und genderneutral agiert. War ich gestern noch eine Frau, könnte ich mich schließlich heute umorientieren und morgen vielleicht wieder und überhaupt ist das schließlich der heutige Zeitgeist. Und bevor sich irgendjemand der wenigen diskriminiert fühlt, machen wir die deutsche Sprache und die ach so fossilen Umgangsformen besser platt. Was sollˋs!

Ich öffne den Umschlag und entnehme die liebevoll gestaltete Einladung. Ein dreiseitiges Leporello, A4, sechs bedruckte Seiten, farbig, hochglanz. Auf der Deckseite ist der Grafiker und Gestalter genannt. Wo wird das schon bei derartigen Dingen noch getan. Eine Erläuterung über das Prozedere liegt bei. Es ist eine lange bedruckte Seite, die zwei A4-Seiten entsprechen.

Warum erwähne ich das alles? Es ist eine wertschätzende Einladung an den Adressaten. Keine hingeschluderte an unendlich viele willkürliche Emailadressen gesandte digitale Einladung. Es ist ein Willkommen, ein Geschenk. Eine Aufmerksamkeit in meinem Briefkasten zwischen den amtlichen Benachrichtigungn und den massenhaften auf hässlichem Papier gedruckten Werbeheftchen der Einkaufsmärkte mit ihren besten, billigsten und dennoch immer teurer werdenden Produkten.

Meine Emails mit solchen Einladungen überfliege ich. Lege sie beiseite, um sie später noch einmal genauer anzusehen. Das geschieht meistens nicht. Denn die tägliche Flut an derartigen flüchtigen Sendungen zum Nulltarif überfordern meine Aufmerksamkeit und ermüden mich. Sehr oft ist der Button des Papierkorbs schnell gedrückt. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Meine Finger gleiten über diese physische Einladung. Und ich muss gestehen, dass ich das schwere, hochwertige Papier mit dem Glanzdruck mag. In mir regt sich der erhobene Finger wegen meines versnobten Gedankens. Schließlich drückt diese hochwertige Einladung doch nur aus, dass dem Absender total egal ist, wie er die Ressourcen unseres blauen Planeten verpulvert. Wie kann er nur! Teures Papier, hochwertiger Druck, viel zu groß das alles, die Erläuterungen auf zwei Seiten geschrieben, statt Vorder- und Rückseite zu bedrucken. Unverschämt! Wo doch in Deutschland die Unternehmen fast alles digital erledigen. Wer das nicht kann, weil zu alt, zu krank, zu irgendetwas, hat seine Post, die ihm unnötiger Weise zugestellt werden muss, zu bezahlen.

Nein! Nicht alles funktioniert pauschalisiert digital. Der Mensch ist mit vielen Sinnen ausgestattet. Die physische Wahrnehmung ist unglaublich wichtig und löst Gefühle, Gedanken, Reaktionen und Entscheidungen in vielen Sphären und Richtungen aus.

Auch wenn ich bisher einer dieser Einladung nicht gefolgt bin, so habe ich es mir für das Jahr 2023 vorgenommen, es zu tun.

Kater Flo hat sich zu mir gesellt, sich einfach auf den Tisch gelegt und lässt sich den lauen Wind ins Fell pusten.

Die Sonne kommt ums Haus und lässt die Gloxinien in den leuchtendsten Farben strahlen. Bald werde ich die Markise nach unten lassen, um die Wohnung in angenehmer Kühle zu halten.

Es ist Ruhe eingezogen. Nur aus der Ferne erklingen die Motoren der rasenden Motorräder auf der Landstraße …

Einen fantstischen, wenn auch heißen, Junisonntag wünscht Euch,

Eure Petra Kolossa.

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