Die Poscht und so

Mein kleines Wohnörtchen hat mit allem Drum und Dran, auch dank der Gemeindereformen so etwa 5.600 Einwohner. Ich selbst lebe in einem solch eingemeindeten Fleckchen, wo es nix, außer Ruhe, Grün, ein paar Viecher und eine Kirche gibt.

Habe ich etwas zu erledigen, ist ein kleiner Plan vorteilhaft, denn die nächste Gelegenheit, zum Beispiel einen Supermarkt zu finden, oder gar die Poststelle, sind fünf Kilometer entfernt.

Also hopse ich ins Auto und düse zum Farbenfachmarkt, denn dort ist die Poststelle.
Eine halbe Stunde vor Schließzeit springe ich in den Laden, schlage zielstrebig einen Haken nach rechts und … Ähm, nix. Ich kullere meine Augen durch das Geschäft. Keine Poststelle. Einfach weg. Ich frage nach und erfahre,  dass diese ein paar Straßen weiter gezogen sei. Ich schaue auf die Uhr. Oh, da muss ich mich aber beeilen.

Ein großzügiger Raum, zweckmäßig eingerichtet. Zwei Damen empfangen mich. Ich lege meine dicken Briefe auf den Tisch und bitte, die noch einmal zu wiegen. Die Ältere, ich schätze Mitte vierzig, übergibt die „Angelegenheit“ der Jüngeren, etwa zwanzig. Sie wird eingearbeitet.

Diese nimmt den ersten Brief, zeigt mit dem Finger auf die Adresse und richtet fragend einen Blick an die Ältere. „Ja, Chemnitz“, sagt diese. „Wo ist das?“, fragt die Jüngere. „Im Osten.“, bekommt sie zur Antwort. „Was muss da drauf geklebt werden?“, fragt sie. „So wie hier.“
Sie greift den nächsten Brief. „Bonn ist hier.“, sagt sie und klebt die Marke drauf. „Wo ist Rothstein?“, fragt sie. Die Ältere schaut auf die Postleitzahl und sagt: „Im Osten.“ Die Jüngere: „Also auch die Marke wie hier?“

In mir wächst langsam der Groll. Was ist das denn!?  Ich sage zu der Älteren: „Hier habe ich noch zwei Briefe in den Norden und einen in den Westen. Es bietet sich also an zu prüfen, was es kosten wird, von hier aus dem Süden die Post innerhalb von Deutschland zu versenden.“

Ich wende mich an die Jüngere und erkundige mich nach ihrem Alter. Sie sagt mir, sie sei einundzwanzig Jahre. Okay, dachte ich. „Können sie mit dem Begriff ‚Osten‘ innerhalb von Deutschland etwas anfangen?“, frage ich. Sie meint, sie hätte in der Schule mal was davon gehört, ihr sei das aber egal.

Der Älteren wird es sichtbar peinlich. Ich sage zu ihr, dass ich auf ihr Denken keinen Einfluss nehmen möchte, das sei ganz allein ihre Sache. Nur empfinde ich das ganze Getue nach mehr als einem Vierteljahrhundert sehr fragwürdig. „Ihre junge Kollegin ist in dieses Deutschland hinein geboren. Sie kennt die politische Vergewaltigung unseres Landes von damals nur aus den Geschichtsbüchern. Ich glaube, sie tuen ihr damit keinen Gefallen.“

Die Kirchenglocken läuten 18:00 Uhr. Ich zahle, wünsche mit der neuen Filiale viel Erfolg und ziehe ab.

… eine Erinnerung aus dem Frühsommer, die mir am 03. Oktober wieder in den Sinn kam. Und das Verrückte ist, ich habe diese Filiale nie wieder betreten. –  Ich wohne in einem kleinen Ort, wo die nächste Postfiliale in die andere Richtung ebenfalls fünf Kilometer entfernt ist.

petra-apr15-807

Nach dem Norden, Westen, Süden, Osten und die Mitte grüßt, Eure Petra Kolossa.

 

 

 

 

 

4 Gedanken zu “Die Poscht und so

Schreibe eine Antwort zu kunstschaffendeAntwort abbrechen