Einfach tabu

Auf dem Weg nach Hause denke ich: „Ahhh, kein Brot mehr im Haushalt!“ Ich nehme den nächsten Supermarkt.  Auf einem Hinweisschild, lese ich, dass auf dem Parkplatz und im gesamten Areal des Marktes Maskenpflicht herrscht. Noch im Auto setze ich mir diese geforderte FFP2 ins Gesicht.

Ich greife nach einem Einkaufswagen, denn ohne  solch einem ist der Zutritt verboten. Das kann ich verstehen, schließlich ist es die einzige Möglichkeit, die geforderte maximale Anzahl an Kunden im Geschäft zu kontrollieren. Ich desinfiziere meine Hände und den Griff des Wagens und haste in den Markt. Zielstrebig steuere ich den Backwarenstand an. Ich streife mir zum Entnehmen einen dafür vorgesehenen Folienhandschuh schützend über die Hand, angele mir damit hygienisch ein frisch duftendes Kürbiskernbrot aus dem Fach und lege es in die Schneidemaschine.

Während die Maschine mein Brot in gleichmäßige Scheiben teilt, nehme ich mir ein hauchdünnes Plastiktütchen, das ich über das zerschnittene Brot ziehen will.

Ich versuche es zu öffnen. Immer wieder zupfe ich an der vermeintlichen Öffnung und hoffe, die aufeinanderliegenden Flächen der Tüte auseinanderziehen zu können. Es will mir nicht gelingen. Ich reibe mit zwei Fingern die Flächen des Tütchens. Es öffnet sich nicht. Instinktiv will ich die Finger anfeuchten und greife ins Gesicht. Oha, klar, das geht nicht. FFP2 ist im Wege. Kurz schaue ich mich um, ob vielleicht einer zu mir hersieht. Es schaut keiner. Dennoch hält mich das schlechte Gewissen zurück, die Maske anzuheben und das zu tun. So entscheide ich mich dafür, ein zweites Tütchen zu nehmen. Es wird sicher besser gehen. – Nein, es geht nicht besser. Ich werde ungeduldig. Die Situation nervt mich. Mein Brot liegt in sauberen Scheiben in der Maschine und ich schaffe es nicht, eine blöde Tüte zu öffnen, um es darin zur Kasse zu transportieren. Verzweifelt lege ich diese Folientüte zwischen meine Handflächen und reibe sie hastig aneinander … Yeahhh das ist die Lösung. Die aufeinanderklebenden Flächen lösen sich und ich kann die Tüte auseinanderziehen …

Während ich das Brot in die Tüte schiebe, denke ich, wie sehr sich unser aller Handeln in den letzten zwölf Monaten verändert hat.

Allein diese unbewusste Geste, fix die Finger an den Lippen zu befeuchten, um eine Seite im Buch oder einer Zeitung umzublättern, ein Blatt vom Tisch aufzunehmen, einen Faden besser durch das Nadelöhr fädeln zu können … sind uns sehr bewusst geworden und werden in der Öffentlichkeit ganz sicher als großes Faupax verurteilt.

Gesten, die über Generationen weitergegeben wurden, fast vererbt. Dinge, die die Großeltern bereits taten, die wir von den Eltern einfach nur nachahmten und in unser tägliches Leben aufnahmen, sind heute tabu. Wir trainieren es uns nun ab.

Hast Du ähnliche Erfahrungen gemacht? Erzähle uns doch einfach davon. Ich bin ganz neugierig. Bitte nutze dafür einfach das Kommentarfeld unten.  Vielen lieben Dank 😊

Herzlich, Eure Petra Kolossa.