“Ahh, unsere Begegnungsstühle!”, denke ich und schaue mir die Fotos auf meinem Smartphone an, die ich nach dem Aufbau unserer letzten Ausstellung im Rathaus Deggenhausertal machte. Eine Idee, einst geboren von der Schweizer Künstlerin Stefanie Seiler-Saste. In unserer Künstlergruppe “seeArt” griffen wir den Grundgedanken auf. Wir Künstler/innen haben alle einen oder mehrere solcher Begegnunsstühle gefertigt. In jeder Ausstellung, bei jeder Aktion, wo wir sind, sind auch unsere Begegnungsstühle dabei. Künstlerisch gestaltete Stühle laden ein, sich niederzulassen, sich zu setzen, sich kennenzulernen, zu kommunizieren, zu lachen, sich näher, einfach ins Gespräch zu kommen …
Auf unseren Ausstellungen wurden die Stühle gerne belegt. Die Menschen rückten zusammen, ruhten sich auf diesen aus, diskutierten und genossen die Zeit.
Nun, bei unserer aktuellen Ausstellung, die wir Mitte Oktober sang- und klanglos ohne Besucher und ohne Vernissage eröffneten, stehen nur drei dieser Stühle und ein Tisch. Für mehr war nicht Platz. Der Abstand zwischen den Stühlen von mindestens 1,50 Metern musste eingehalten werden. So die momentane “Covid19-Vorschrift”.
Ein Paradoxon. Die Begegnungsstühle mutierten zu Distanzstühlen. – Sagten wir noch vor dem März dieses Jahres: “Kommen Sie näher. Setzen Sie sich zu uns!” Denken heute die meisten Menschen: “Halten Sie Abstand! Kommen Sie mir nicht zu nah!”
Es ist mir klar, dass auf diesen Stühlen keiner Platz nehmen und schon gar nicht mit einer anderen Person mit der Maske im Gesicht laut über diesen Abstand auf der Chefetage sich eine Unterhaltung zuwerfen wird.
Unsere nun bereits dritte Ausstellung in dem Rathaus ist eine reine Sympathie-Kunstschau. Ich war etliche Male dort in den letzten Tagen und sah mir die Situation vor Ort an. Ich traf einen einzigen Touristen, der eine Radfahrerkarte wünschte. Die Gänge sind leer. Die Menschen vermeiden Wege, die aus ihrer Sicht nicht sein müssen. Viele Dinge lassen sich online oder auch am Telefon erledigen. Nun, und der Bürgermeister scheint ebenso zwischen den Stühlen zu stehen. Kann er im Gemeindeblatt oder der Webseite des Rathauses die Bewohner dazu aufrufen, ihre Wohnung zu verlassen und sich auf die Strümpfe zum Rathaus zu machen? Es scheint, er kann es nicht. Ein Weg zum Rathaus muss einen triftigen Grund haben, die eigenen vier Wände zu verlassen.
Und eine Kunstausstellung ist es wahrscheinlich für die meisten Menschen nicht, das Rathaus aufzusuchen. Und so sind unsere einstigen Begegnunsstühle reine Dekoration, wie auch die Werke unserer Künstler, die noch bis Anfang Januar 2021 dort zu bestaunen sind. Nach dem Aufbau unserer Ausstellung machte ich ein kleines Video. Ihr findet es auf meinem YouTube-Kanal. Hier ist der —->>> Link zu dem Video. Klickt es einfach an. Wenn Ihr meinen Kanal besuchen wollt, findet Ihr diesen unter www.youtube.com/petrakolossa.
Wer in der Nähe des Deggenhausertals ist, packt Eure Maske ein, schaut einfach mal auf der Rathausstraße 1, in Wittenhofen im Rathaus vorbei. (Tippt in die Navigation Schulstraße 1 ein.) Schaut aber bitte zuvor hier in die Öffnungszeiten.

Mein Wesen kämpft gegen diese aufgesetzte Distanz. Wenn ich in größeren Abständen den Weg zum Supermarkt unternehme, bemerke ich jedes mal ein gesteigertes Distanzverhalten. Die derzeitige Corona-Situation verändert die Menschen.
Man sagt: Alles, was ich dreißig Tage immer wieder tue, höre, sage, lebe … verfestigt sich im Unterbewusstsein. Kurz gesagt, es brennt sich in unsere Festplatte ein. Nun, und wenn das Ganze zur Sicherheit noch ein paar Monate länger trainiert wird, ist es schwierig, mal eben so einen Sprung in das Einst zu tun. Es wird nicht mehr so sein, wie es einmal war! Und ich bin so verdammt froh, vor zwanzig Jahren den Stecker des Fernsehgerätes gezogen zu haben …
Passt auf Euch auf!
Herzlich, Eure Petra Kolossa.
Liebe Petra, es freut mich so sehr, dass ihr so engagiert seid🥰 und jeder, der auf euren tollen Begnungsstühlen absitzt, wird die Freude und Passion eurer Kreativität spüren🥰 danke fürs Weitertragen der Idee
lg aus Zürich
Stefanie Seiler
Dankeschön, liebe Stefanie. Es ist eine verbindende Geste, die mich auch an Länder erinnert, in denen man sich noch einmal gemeinsam hinsetzt, sich verabschiedet, um in Ruhe das Haus zu verlassen. Ein Stuhl, die Begegnung und Kommunikation ist so viel wert und unendlich wichtig. Und ich wünsche uns Menschen von Herzen, dass wir das bewahren können und nicht in kalter ängstlicher Distanz verkommen.
Liebe Grüße nach Zürich.
Herzlich, Petra Kolossa.