Unfreiwillig, freiwillig gelauscht

Mit Kater Benny auf dem Schoß saß ich in diesem Raum und wartete und wartete. Ich kraulte ihm selbstvergessen seinen Pelz und hoffte, bald in den Behandlungsraum gebeten zu werden.

Kam man früher, so vor fast zwei Jahren, in diesen Warteräumen sofort mit anderen ins Gespräch und plapperte über die tierischen Lieblinge sowie Gott und die Welt, hat sich das vollkommen geändert. Der große Sicherheitsabstand zwischen den Menschen durch weiträumig gestellte Sitzgelegenheiten und die verdeckten Gesichter hinter den Masken verleitet die Leute dazu, sich dahinter zu verkriechen.

Vor fast zwei Jahren waren noch keine Glasscheiben auf dem Tresen, hinter dem in der Regel zwei Sprechstundenhelferinnen arbeiten. Im Warteraum konnte man dennoch kein Wort verstehen, was sie dort mit den Kunden besprachen. Jetzt sitzen sie hinter hohen Glaswänden, die sie vor dem unmittelbaren Kontakt zu den Menschen schützen sollen. Ich sitze also in diesem Raum mit den anderen Wartenden. Kein Gemurmel, kein Geschwätz, einfach Stille. Jedes Wort, das an der Theke besprochen wird, kann ich verstehen. Vereinbarte Termine für eine Operation, die Befindlichkeiten der Tiere, die Diskussionen über Rechnungen, das Erklären von Medikamenten und so weiter und so fort.

Alle Kunden, die in großem Abstand am Tresen warteten wurden bedient. Mit einem Mal ist absolute Ruhe im Raum. Schade, denke ich. Es war doch irgendwie unterhaltsam. Eine der Mitarbeiterinnen greift zum Telefon. Sie spricht leise und glaubt wahrscheinlich, dass es keiner hinter dieser hohen großen Glaswand hören kann. Ich muss unweigerlich zuhören. Mein kleines Unterhaltungsprogramm während der langen Wartezeit …

… “Mama, nein!”, flüstert sie irgendwie laut in den Hörer. “Du musst kein gutes Make up auflegen! …

Nein, du musst nicht zum Friseur gehen. Bringe einfach alle drei mit! … Ja, das wäre gut.  … Wieso geht das nicht? … Dann bringe eben zwei mit. … Wie jetzt, dann ist einer allein, das geht nicht? … Mein Gott, dann bringst du eben wenigstens einen mit. … Mama, reg’ mich nicht auf! … Wir brauchen dich hier. … Nein! Du kannst nicht allein kommen! … Mama, höre doch mal zu! … Was sollen wir ohne deiner Kleinen? Die brauchen wir hier. … Ja, natürlich brauchen wir die und auch dich. … Gut, dann bringe alle drei mit. Ums so besser. … Nein, verdammt! Du brauchst kein besonderes Make up. Wir spielen doch nur den Warteraum nach für unsere neue Webseite! Da ist das Make up wirklich unwichtig. … Mein Gott, mach was du willst. Wenn du noch einen Termin bekommst beim Friseur, dann mache das. … Ja, von mir aus, nimm ein Make up, alles gut! … Ja, super! Danke Mama! …”

Sie legte auf und ließ die Luft aus ihren aufgeblasenen Backen und fiel in die Lehne ihres Stuhles.

Ich amüsiere mich köstlich und das Lachen sitzt in meinem Gesicht.

“Frau Kolossa und Benny bitte!”

… ahhh, wir sind dran. Ich muss Euch jetzt allein lassen und gehen.

Wünsche Euch allen einen schönen Tag ☀️

Herzlich, Eure Petra Kolossa.

PS: Hast Du schon einmal meinen Podcast, das Hör-Café, eingeschaltet? Nein? Das kannst Du mit dem Link auf dieser Webseite auf der linken Seite tun. Es sind bereits sechszig Folgen aufgezeichnet. Habe viel Spaß beim hineinhören 😊

Kuh oder Schaf

Es ist heiß geworden und das Wasser in meiner Tasche aufgebraucht. Soeben nahm ich die nächste Gelegenheit wahr und kaufte in diesem Döner-Imbiss eine Flasche Wasser. Ich fummelte an meiner Tasche, um die Flasche zu verstauen, als ein junger Mann mit seiner Freundin in den Laden gesprungen kam und die Verkäuferin fragte:
“Ist der Schaftskäse für den Döner von der Kuh oder vom Schaf?”
“Das von Kuh.”, bekam er zur Antwort.
Er schaut seine Freundin an. Sie nickt.
“OK”, sagt er. “So nehmen wir zwei von den Dönern mit dem Schaftskäse von der Kuh.” …

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Ich hatte Mühe, mein Grienen aus dem Gesicht zu bekommen.
Das Beste ist, ich gebe es einfach an Euch weiter.

Herzlich, Eure Petra Kolossa.

Badezimmergenießer

… “Kein Mensch braucht eine solche Ewigkeit, wie du! Du vertrödelst einen Haufen Zeit!  Ich frage mich, wie lange du im Bad brauchst! Was machst du dort so lange?…”, nörgelt und nervt er. Sie dreht die Augen nach oben, brabbelt irgend etwas und wendet sich von ihm ab.

Neulich:
“Ich liebe meine Zeit im Bad. Weißt Du, ich brauche immer eine Stunde. Das Bad ist für mich ein heiliger und wichtiger Raum …” , schwärmt mein Vater, als er mir seine neue Wohnung präsentiert.

Ich muss grinsen. Jetzt weiß ich, woher ich das habe 😉

Das Badezimmer ist auch für mich viel mehr, als nur der Ort für Hygiene und Styling. Es ist ein Platz des Abtauchens, meinen Gedanken freien Lauf lassen können. Zeit, die nur mir ganz allein gehört.
Und für alle Badezimmergenießer: Ein klares Nein! Es gibt keinen Grund, sich dafür rechtfertigen zu müssen.

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Genießt auch Ihr Eure Zeit im Bad?

Einen frischen Tag wünscht Euch
Eure Petra Kolossa.

Kabarett Warteschlange

Freitag Nachmittag. Da muss man schon Gegurke auf den Straßen hinnehmen. Ist doch klar: Freitag nach eins, macht jeder seins. Alle wollen nach irgendwo, hauptsache weg von ihrer Arbeit.
Endlich angekommen ist auch klar, dass ich mich bei der Post irgendwo als zwölfte oder fünfzehnte einreihe. Es dauert nur Sekunden. Ich bin nicht mehr die Letzte, nur noch ein Glied in der Warteschlange.

“Was? Nach Australien soll das?”, höre ich die Dame hinter der Theke in breitem Dialekt. Sie wiegt das große Paket und ergänzt:  “Das kostet aber was!”
“Noi, nicht Australien! Nach Austria”, erklärt ihr Kunde.
“Sag ich doch!”.
“Noi! Da steht doch Wien!”, weist er ungeduldig hin.
“Was, gibt’s in Australien auch ein Wien? Ich kenne nur eines in Österreich”, sagt sie.
“Das ist doch Österreich!!”, bekommt sie deutlich zu hören.
“Und warum schreiben sie’s nicht hin?!” …

Und nun soll mal einer sagen, das Warten in einer Schlange sei langweilig.

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Ich bekomme das Grienen nicht aus dem Gesicht.

Herzlich, Eure Petra Kolossa.
Foto: Astrid Gast

… aufgeschnappt und ausgespuckt

Noch knapp zwanzig Minuten, dann wird die Fähre anlegen und mich gemütlich von Konstanz nach Friedrichshafen schippern.

Auf einer bequemen Bank, mache ich mich breit. Mein Blick ruht auf dem Hafen. Wie doch dieser grässliche Betonklotz die Kulisse ruiniert, denke ich.

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Bild: Holger Wagner

Herrlich, noch eine viertel Stunde Zeit, ich krame meinen Tolino aus der Tasche, schlage ihn auf, um in meinem Buch zu lesen.
Gerade habe ich mich in die ersten Zeilen vertieft, als sich zwei Männer laut diskutierend auf der anderen Seite meiner in Beschlag genommenen Bank fallen lassen.

“Ick kann dir sagen, ick hab nischt, aber überhaupt nischt gegen die. Die können nischt dafür, dass die dort untergekommen wurden, wo die jetze sind”, erklärt der eine dem anderen in einem saloppen Slang. “Und weeste, der zuvor da war, den se rausgehauen haben, weil dat arme Schwein ‘ne Tüte mit abgelaufenen Fressalien mitgehen ließ, war och in Ordnung. Irgendwo aus Asien kam der, ick wees nich genau.”
“Ist der blöd? Warum macht der so was?”
“Gelegenheit, einfach Gelegenheit. Lag ja sozusagen im Müll”, sagt er und redet gleich weiter. “Hast du schon mal einen gesehen, der bei ‘ner Reinigungskolonne reich geworden ist?”
“Nö. Aber jeder weiß, dass das verboten ist.”
“Klugscheißer!”

Die zwei zünden sich eine Zigarette an und ich fühle mich ertappt, weil ich total neugierig dem Gespräch folge. Meine Augen stieren auf Tolino und die Ohren hängen am Gespräch hinter meinem Rücken.

Der eine stößt seinen Qualm genussvoll  aus und nimmt das Gespräch wieder auf:
“Tja, und jetze ham wir ‘nen Schwarzen. Der is bestimmt ein cooler Typ. Kann schon sein. Nur versteht der keen Wort Deutsch. Es heißt, der würde Deutsch lernen, aber ick merk nischt davon. Is ja ooch alles jut.” Er überlegt kurz und meint: “Weeste, die armen Kerle könn nischt dafür. Die Politiker, die dat eingerührt haben, die allet off die janz unten abwälzen, die interessiert dat nich, wie wir klar kommen.”
“Hör mir auf mit Politik, die ist mir egal”, sagt der andere.
“Sollte aber nicht. Allet is Politik”, belehrt der erste. “Pass uff. Der Schwarze kam zu mir und wollte irgend etwas. Ick hab ihn ja nich verstanden. Dann begriff ick, dass ick ihm irgendeine Maschine erklären sollte, die ick selber nie bedient habe.” Er schnaubt kurz:  “Sollte da mal einen Kurs machen. Unbezahlt! Dat bei Mindestlohn. Hab’s mir bisher verkniffen”, ergänzt er.
“Also gleich mal zwei Unbekannte. Sprache und Technik!”, warf der andere altklug ein. “Jo, so könnte man sagen. Dann kam noch die aus dem Büro oben dazu. Die meinte, die Chefin hätte gesagt, ick solle ihm dat erklären. Ick sagte, wie soll ick dat erklären, wenn der mich nicht versteht? Da meinte die, ick soll mir Mühe geben. Da hab ick ihr gesagt: ‘Richte der Chefin aus, dat sie sich darum kümmern soll, dat Frau Merkel einen Dolmetscher schickt …”

Die Fähre sendet ihr Signal und wird gleich anlegen. Ich schiebe meinen Tolino in die Tasche. Beim Aufstehen drehe ich mich um und sehe die beiden Männer, irgendwo in den Dreißigern,  noch immer rauchend und ernsthaft in ihr Gespräch vertieft.

Ich schlendere zum Anleger und denke bei mir, wie viele Aspekte,  in diesen wenigen, einfachen, Sätzen frequentiert wurden, wie breit doch das politische Geschehen greift und bewegt. – Hass? Nein, Hass hörte ich in keinem Satz.

… etwas nachdenklich, Eure Petra Kolossa.

 

 

 

 

Zum Haare raufen

Vor etlichen Monaten hatte ich die Idee, eine Kategorie

“aufgeschnappt und ausgespuckt”

in meinem Blog aufzunehmen. Heute ist es soweit. Anekdoten, die das Leben schreibt …

Gestern traf ich auf eine nette Fünfzigerin. Das Thema Bildung in unserem Lande stieß ihr ungemein auf und das in ihr angestaute Ärgernis machte sich Luft.

“Das ist doch idiotisch!”,  schimpft sie. “Jeder soll unter allen Umständen Abitur machen. Wer kein Abi hat ist in den Augen der meisten unfähig. Wie bescheuert ist das denn?!” Sie schaute mich fragend an. Ich verkniff mir eine Antwort. Sie legte auch gleich nach: “Wir brauchen das Handwerk! Dringend! Ich will mal sehen, wie es ausschaut, wenn sich meine Ärztin ihre Hose selber nähen wird oder ein Häuslebauer versuchen will eine gerade Wand hochzuziehen.” Sie machte dicke Backen: “Ich kann ihnen sagen: Vor ein paar Wochen hatte ich eine junge Frau aus der Nachbarschaft im Geschäft. Im letzten Jahr hat sie ihren Bachelor gemacht, eine Studierte, also.  Ich sagte ihr, sie möge das Medikament kühl und dunkel lagern. Sie überlegte kurz und fragte mich, ob es reiche, wenn sie es in den Keller stelle. Ich meinte, nun ja, wenn ihr Keller so kalt ist, sei es in Ordnung. Dennoch fragte ich verwundert, warum sie es nicht in den Kühlschrank stellen wolle. Da sagte sie zu mir, sie habe keinen dunklen Kühlschrank. Ihrer habe Licht.” …

Ohjeohje, wenn das nicht zum Haare raufen ist …

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Mit grübelnden Grüßen

Eure Petra Kolossa.