“Kannst du autofahren?”, fragt mich der kleine Mann. “Ja, na klar.”, sage ich. “Meine Mama kann nicht autofahren.”, stellt er fest.
“Deine Mama wird eines Tages autofahren können. Du weißt, sie hat ein krankes Handgelenk und starke Schmerzen.”, erkläre ich ihm. “Mein Papa kann auch mit einer Hand autofahren!”, kommt es prompt.
“Weißt Du”, versuche ich zu erklären und die Situation seiner Mama zu entschuldigen: “Es gibt kritische Momente, in denen man dringend zwei Hände auch beim Autofahren braucht. Und wenn eine Hand nicht gut festhalten kann, weil sie voller Schmerzen ist, kann es sehr gefährlich werden. Eines Tages wird die Hand Deiner Mama wieder gesund sein. Dann wird deine Mama auch autofahren können.”
Nach einer kurzen Pause von wenigen Sekunden: “Egal, ob Schmerzen oder nicht Schmerzen. Meine Mama kann nicht autofahren!”, erhärtet der fast Sechsjähre.
Ich muss das Gehörte zunächst herunterschlucken und diese nüchterne Feststellung verdauen. Ich bin sprachlos. Diese wenigen Sätze geistern eine ganze Weile in meinem Kopf herum. Was habe ich erwartet? Eine gefühlvolle Bestätigung und Verständnis für die Situation seiner Mama? Dass er verstünde, dass alles irgendwann einmal anders sein wird, wenn dies und das …? Letztendlich muss ich sagen, dass der kleine Mann auf rationaler Ebene komplett Recht hat. Ganz sachlich: Seine Mama kann nicht autofahren. Punkt. Aus. Fertig.

Warum neigen wir Erwachsenen dazu, auf emotionaler Ebene nach Erklärungen zu suchen, Dinge zu entschuldigen, gar Mitleid zu schüren, Zusammenhänge zu finden, die Meinung zu beeinflussen und alles zu begründen? – Wäre es nicht besser gewesen? Ich hätte einfach nur gesagt: “Das stimmt. Sie kann nicht autofahren. Vielleicht wird sie es einmal lernen, wenn ihre Hand wieder gesund ist.”
Während ich diese Zeilen schreibe, huscht ein Lächeln über mein Gesicht. Danke, kleiner Emil, für diese “Lehrstunde”.
… widmen wir Großen den Kleinen gegenüber einfach etwas mehr Aufmerksamkeit in dem, was und wie wir es kommunizieren.
Einen fantastischen Sonntag Euch allen.
Herzlich, Eure Petra Kolossa.