Email-Wahn

Mein morgentlicher Blick in die elektronischen Postfächer lässt heute einen riesengroßen Koller in mir aufkommen. Es nervt mich seit längerer Zeit und irgendwie schaukelte sich das Ganze Dilemma in mir auf.

Geschätzte fünfundzwanzig Prozent, also nur ein kleines Viertel der massenhaft eingehenden Emails erwecken in der Regel mein Interesse. Jede Firma, mit der ich einmal via Email in Kontakt getreten bin, jedes Unternehmen, bei dem ich einmal Produkte bestellt habe, fühlen sich aufgefordert, mich mit deren Angeboten und Informationen in kurzen Abständen zu überschütten. Hinzu kommen die Schlaumeier, die sich Email-Adressen von sonstwoher besorgen und glauben, dass der Adressat dieses und jenes dringend benötige, Dinge erledigen lassen, sich beraten, coachen und sich total glücklich machen lassen wolle. Newsletter, die ich einst abonnierte, später nicht mehr spannnd fand, das Abo beendete, was leider nicht immer akzeptiert wird. … und so weiter und so fort.

Vor ein paar Monaten nahm ich mir die Zeit, um einen Großteil dieser Emails “loszuwerden”, also zu stornieren oder mit einer kurzen Email den Absender zu bitten, auf weitere Emails zu verzichten. Das Ergebnis war unbefriedigend. Geht der eine, kommt ein neuer.

Inzwischen haste ich über meine Emails, lese den Betreff und den Absender. Was interessant sein könnte, bekommt ein Sternchen, um es später zu lesen. Alles andere ruck-zuck-weg-gelöscht. Natürlich könnte dabei so einiges im Nirwana verschwinden, jedoch habe ich bisher noch nie eine Email vermisst, die wichtig gewesen wäre.

Im gleichen Zuge dieser Email-Flut scheinen die praktischen, einfachen, zeitsparenden Telefongespräche zu verschwinden. Wenn ich eine Firma via Telefon kontaktieren möchte, geschieht  es immer häufiger, dass auf den Webseiten der Unternehmen keinerlei Telefonnummern zu finden sind. Der Kontakt ist ausschließlich via Email möglich. Wenn doch eine Telefonnummer notiert wurde und ich dort anrufe, läuft oftmals eine Bandansage, wo mir eine Email-Adresse angesagt wird, über die ich mein Anliegen äußern kann. Ich erlebte auch, dass ich in einer Firma anrief, wo sich die Zentrale oder der Empfang meldete. Diese Mitarbeiter erklärten mir, dass es Firmenphilosophie sei, ausschließlich über eine Email in Kontakt treten zu können. Meine Email  würde dann an den passenden Mitarbeiter weitergeleitet. Und dieser würde sich dann bei mir melden. Zu den entsprechenden Mitarbeitern dürfe nicht durchgestellt werden.

In der Kommunikation zwischen uns Menschen ist das aus meiner Sicht eine gefährliche Entwicklung. Das Wort beinhaltet neben der sachlichen Information Emotionen, Gefühle, die ein klitzekleines Stück Seele des anderen freigeben. In einem Gespräch können Fragen gestellt und Antworten sofort gegeben werden.

Das gesprochene Wort ist spontan, aus der Situation heraus formuliert. Das geschriebene Wort in einer Email ist überlegt, korrigiert, mehrfach gelesen und überdacht, bevor der Senden-Button von uns gedrückt wird. Wir lesen und schreiben diese Emails schweigend, für uns allein. Wir tippen die Fragen, tippen die Antworten. Allein in unserem Kämmerlein.

Das Telefon ansich scheint lästig, unangenehm, out. Schreibe eine WhatsApp, schreibe eine Email, nimm die Messenger von Facebook, Signal, Telegram oder weiß der Kuckuck was.

Wir bestellen online, googeln unser Wissen, daten im Web, bewerben uns online, senden Formulare an die Ämter, arbeiten im home office … und so weiter und so fort.

Ich muss lächeln. In meinem Job telefoniere und spreche ich unendlich viel. Und irgendwie ist die Puste danach raus. Ich bin dann meistens zu erschöpft, auch in meinen freien Stunden zu telefonieren. “Petra!”, schelte ich mich selbst und bemerke, dass ich mich herausrede und nehme mir fest vor, öfter zum Hörer zu greifen. Vielleicht gleich? Mache mir nur fix ein Käffchen

Wen wirst Du als nächstes anrufen?

Habt einen schönen Tag.

Herzlich, Eure Petra Kolossa.

Einfach nur autofahren

“Kannst du autofahren?”, fragt mich der kleine Mann. “Ja, na klar.”, sage ich. “Meine Mama kann nicht autofahren.”, stellt er fest.

“Deine Mama wird eines Tages autofahren können. Du weißt, sie hat ein krankes Handgelenk und starke Schmerzen.”, erkläre ich ihm. “Mein Papa kann auch mit einer Hand autofahren!”, kommt es prompt.

“Weißt Du”, versuche ich zu erklären und die Situation seiner Mama zu entschuldigen: “Es gibt kritische Momente, in denen man dringend zwei Hände auch beim Autofahren braucht. Und wenn eine Hand nicht gut festhalten kann, weil sie voller Schmerzen ist, kann es sehr gefährlich werden. Eines Tages wird die Hand Deiner Mama wieder gesund sein. Dann wird deine Mama auch autofahren können.”

Nach einer kurzen Pause von wenigen Sekunden: “Egal, ob Schmerzen oder nicht Schmerzen. Meine Mama kann nicht autofahren!”, erhärtet der fast Sechsjähre.

Ich muss das Gehörte zunächst herunterschlucken und diese nüchterne Feststellung verdauen. Ich bin sprachlos. Diese wenigen Sätze geistern eine ganze Weile in meinem Kopf herum. Was habe ich erwartet? Eine gefühlvolle Bestätigung und Verständnis für die Situation seiner Mama? Dass er verstünde, dass alles irgendwann einmal anders sein wird, wenn dies und das …? Letztendlich muss ich sagen, dass der kleine Mann auf rationaler Ebene komplett Recht hat. Ganz sachlich: Seine Mama kann nicht autofahren. Punkt. Aus. Fertig.

Warum neigen wir Erwachsenen dazu, auf emotionaler Ebene nach Erklärungen zu suchen, Dinge zu entschuldigen, gar Mitleid zu schüren, Zusammenhänge zu finden, die Meinung zu beeinflussen und alles zu begründen? – Wäre es nicht besser gewesen? Ich hätte einfach nur gesagt: “Das stimmt. Sie kann nicht autofahren. Vielleicht wird sie es einmal lernen, wenn ihre Hand wieder gesund ist.”

Während ich diese Zeilen schreibe, huscht ein Lächeln über mein Gesicht. Danke, kleiner Emil, für diese “Lehrstunde”.

… widmen wir Großen den Kleinen gegenüber einfach etwas mehr Aufmerksamkeit in dem, was und wie wir es kommunizieren.

Einen fantastischen Sonntag Euch allen.

Herzlich, Eure Petra Kolossa.

Auto teilen – und so

“Lasst doch paar Leute mitfahren in eurem Auto”, so neulich ein Kollege auf einem unserer letzten Meetings, als wiederholt die Pausendiskussion aufkam, dass wir alle viel zu oft und viel zu weit herumfahren, um nur einen Auftrag zu erledigen. Er täte das bereits seit langer Zeit.

Nun gut. Ich plante kurzfristig einen Tripp nach Dresden und entschied mich, das Ganze auszuprobieren. Ich meldete mich bei BlaBlaCar an und gab meine geplante Reise ein. OK, ich entschied mich, das nur mit der Rückreise zu testen.

Kurz nachdem ich das freigegeben habe, meldete sich die erste Mitfahrerin. Ich kam Ana entgegen und versprach, sie vom Bahnhof abzuholen. Der liegt fast auf der Strecke. Das ist in Ordnung. Sie wollte bis Ansbach mitreisen. In der Nacht vor der Rückfahrt von knapp sechshundert Kilometern meldeten sich noch zwei Interessenten. Der junge Mann wollte noch ungefähr einhundert Kilometer weiter und die Dame bis Neu Ulm.

Gut. Also nahm ich in den frühen Morgenstunden Kontakt auf. Michael war bereit, von einem Ende zum anderen in Dresden mit der Straßenbahn zum Treffpunt zu kommen. Das war in Ordnung. Tanja wollte mitten in Bayreut abgeholt werden und zu einer bestimmten Adresse in Neu Ulm gebracht werden. Das lehnte ich ab.

Ich glaubte, alles erledigt zu haben. Als mein Smartphone einen Anruf signalisierte. Michael wusste nicht genau wie er zum Treffpunkt kommen könne. Ich erklärte es ihm und versprach, ihn von der Haltestelle der Straßenbahn abzuholen. – Gut, fertig. Dachte ich. Eine WhatsApp wurde signalisiert. Ich schaue nach. Aha, Ana. Es gibt einen Verletzten im Zug. Man warte auf den Notdienst. Der Zug käme später an. – Ich tippe zurück. Dass ich eine halbe Stunde geben könne. Jetzt alles gut. Dachte ich. – Nein. Michael ruft an. Er käme bereits zehn Minuten vor dem Treff. Er wollte nur Bescheid geben. – “Dankeschön.”, sage ich freundlich. Jetzt noch schnell einen Kaffee und dann los! Befehle ich mir. – Eine WhatsApp. Ana: Sie schaffe es nicht. Der Zug würde noch stehen. – Ich kann nicht warten. Tippe ich zurück. Michael müsse bereits 14 Uhr bei einem Termin sein. Die Fahrt war bei BlaBlaCar so angemeldet. – Ana tippt: Schade. Ich mache mich bereit und will gehen. Mein Smartphone klingelt. – Ana: “Der Zug fährt wir kommen fünf nach an. Geht das noch?” “Ja, Ana alles gut. Ich hole Dich am Bahnhof ab.” Ich entschließe mich, noch schnell tanken zu fahren. – Ich steige ins Auto. Die Freisprecheinrichtung meldet einen Anruf. Michael: “Ich wollte nur sagen, dass ich an der Haltestelle warte.” “Ist gut. Ich bin in fünf Minuten da.” – Ich lege das Phone beiseite und sehe eine WhatsApp. Ana: Es geht alles klar. In zehn Minuten ist der Zug da. …

Und so war ich den zeitigen Morgen beschäftigt …

Beide waren taktvolle und sehr angenehme Mitfahrer. Ana freute sich, dass wir pünktlich ankämen und sie ihren Tanzkurs besuchen könne. “Boggie-Woggie”, erklärte sie auf meine Frage. Eigentlich sei sie nur für ihre Schwester eingesprungen. Sie habe keine Lust mehr gehabt. So tanzt sie inzwischen mit ihrem Schwager. – An der Autobahnabfahrt wird sie von ihrer Schwester abgeholt. Sie umarmt mich zum Abschied. Für neunzehn Euro ist sie von Dresden bis Ansbach komfortabel gereist.

Michael ist inzwischen nervös. “Schaffen wir das bis 14 Uhr?”, fragt er. “Wenn es uns die Straße erlaubt, werden wir pünktlich sein.”, sage ich und frage, weshalb er so sehr pünktlich sein muss, wenn er seinen Sohn besuchen darf. Er könne doch der Mutter Bescheid geben, dass es ein paar Minuten später werden könnte. “Mein Sohn ist im Heim.” “Oha. Hat er ein gesundheitliches Problem?” “Nein. Er kam mit dem Neuen meiner Ex nicht klar.”, stößt er aus. “Warum hast du ihn nicht zu dir genommen?”, frage ich. “Ich bin nicht erziehungsberechtigt.”, sagt er leise. “Hm, er mag dich?” “Ich weiß es nicht.”, flüstert er. “Das verstehe ich nicht. Erkläre es mir.” “Ich sehe ihn seit vier Jahren das erste Mal. Wir hatten nur Kontakt über WhatsApp ab und zu.”, er macht eine kurze Pause und ergänzt: “Und für heute habe ich zwei Stunden Besuchszeit bekommen.” Ich muss darüber kurz nachdenken. “Freust du dich?” “Ja.” Ich schaue auf die Navigation und sage: “Wir schaffen das ziemlich auf den Punkt.” Ich spüre, wie er mich von der Seite ansieht. “Petra, nimm mich mit bis zur nächsten größeren Stadt. Ich kann da nicht hingehen.” “Höre auf mit dem Quatsch!”, sage ich. Du bist jetzt fast über vierhundert Kilometer gefahren. Du hast dich gefreut. Ach, sag mal, wie alt ist dein Sohn?”, frage ich. “Vierzehn.”, und er ergänzt: “Nimm den Weg in deine Richtung und lasse mich an der nächsten größeren Stadt raus.” “Michael, ich lasse Dir jetzt fünf Minuten zum Nachdenken. Er nimmt seine Kopfhörer und schaltet Musik vom Smartphone zu. Er hat die Hosen voll, denke ich. Je näher wir kommen, desto aufgeregter ist er.

“Ich habe nachgedacht.”, höre ich ihn. “Kommst du mit rein?”, fragt er mich unvermittelt. “Oha, wie meinst du das?” “Ich kann da nicht alleine reingehen. Wenn du dabei bist … Bitte komme einfach mit.” Ich muss schlucken. Boah, was tue ich? “Gut, ich komme mit.” Warum ich mich so entschied, weiß ich bis heute nicht. Es war eine Entscheiung aus dem Bauch heraus. Wir kamen nur fünf Minuten zu spät. Der Junge wartete im Foyer. Die Männer gingen aufeinander zu, sahen sich in die Augen. Schlugen sich immer wieder auf die Schultern und Arme. Sie umarmten sich. Ich musste mit den Tränen kämpfen, als ich Michaels Blick auffing. Ich hob meine Hand zum Gruß und ging hinaus in den strömenden Regen.

Meine Finger suchen auf der Navigation meine Adresse. Ich nehme einen großen Schluck Mineralwasser, wickele meinen Schal um die Schultern, starte mein Auto und fahre los.

Noch zu erwähnen wäre, dass Michael 22 Euro für seine Fahrt bezahlte. – Ich nenne diese Preise, weil BlaBlaCar einen nicht kommerziellen Zweck verfolgt. Und ich denke, nirgendwo kann man günstiger und komfortabler reisen, als auf diese Weise. Zum Beispiel vierzig Kilometer für einen einzigen Euro. Ich habe diese Fahrt eingetragen und biete sie an. Ich habe keine Ahnung, was es mit dem Überlandbus kosten würde. Aber ich bin mir ziemlich sicher, nicht nur einen Euro. Bei 120 Kilometer bis nach Zürich ist man bereits für fünf Euro dabei.

Ich fuhr in strömendem Regen und hielt mich an meinem Cafe to go hell wach. Es war eine verdammt anstrengende Fahrt.

Bereue ich diese Erfahrung? Nein. Jedoch gehört eine Portion “Glauben an das Gute” dazu, es zu wiederholen. Neben dem Zeitfaktor, dem Hineinfühlen in die Menschen, die sehr nahe in Deinem Auto sitzen, kommen noch die positiven Argumente, das Auto mit anderen geteilt zu haben. Denn wie in meinem Fall wären theoretisch zusätzlich zwei weitere Fahrzeuge unterwegs gewesen. Nun gut und meine Tankrechnung wurde um 41 Euro gemindert.

Habt Ihr Euer Auto schon einmal mit anderen geteilt? Oder habt Ihr Erfahrung genau aus anderer Sicht, nämlich als Mitfahrer, gesammelt? Ich bin ganz neugierung von Euch zu lesen.

Ich nehme mir jetzt ein Kuschelkissen und mache es mir bequem. Einen schönen Abend Euch allen 🤗

Herzlich, Eure Petra.

Gebürstet, nicht genagelt

Sie eilt in den Laden. Orientierungslos irrt ihr Blick über die unendlich vielen Regale.

“Kann ich ihnen helfen?”, wird sie angesprochen. “Oh ja, bitte. Ich suche eine Nagelbürste.” Die Verkäuferin wiederholt. “Eine Nagelbürste?” “Ja. Eine Nagelbürste.” “OK. Dann sollten wir in die Werkzeugabteilung gehen.” Angekommen, zeigt sie der Kundin die Auslagen.

“Hier sind Drahtbürsten in verschiedenen Größen. Aber eine Nagelbürste kenne ich so nicht. Sie meinen, dass die Borsten besonders stark sind?” Die Kundin schaut die Verkäuferin verwundert an. “Nein. Ich meine eine Bürste, mit der ich meine Fingernägel bürsten kann.”

“Oh, entschuldigen sie bitte. Ich verstand sie nicht richtig. So lassen sie uns bitte in die Haushaltwarenabeilung gehen. Dort finden sie eine reichliche Auswahl an derartigen Bürsten.”

…und ich entdecke an mir, dass ich diese Art von Bürsten ebenfalls falsch definiere. Mein Leben lang nannte ich das praktische und immer griffbereite Teil am Waschbecken Handbürste. Ich übergab das Wort Google. Tatsächlich sind es Nagelbürsten. Jedoch scheint es mehr Leute, wie mich zu geben. Denn unter Handbürste werden auch diese korrekt bezeichneten Nagelbürsten angezeigt. Zum Glück ist das Netz so sehr schlau 😉

Kommt gut fein fingernagelhandgebürstet in Euren Tag.

Herzlich, Euche Petra Kolossa.