Irgendwie über die Runden kommen

Welche Jobs hattest du?

Als Deutsche stolpere ich so ein wenig über den Begriff “Job”. Ich definiere “Job” als eine Tätigkeit, irgendeine Arbeit, die man für eine gewisse Zeit tut, um etwas Geld zu verdienen oder sich für einen absehbaren Zeitraum über Wasser zu halten.

Oder, wie siehst Du das?

Ja, es gab schwierige Lebenssituationen, in denen ich derartige Jobs annahm. Wahrscheinlich wäre es mir in dieser Zeit wesentlich besser gegangen, wenn ich zum Sozialamt marschiert wäre. Aber dafür bin ich zu stolz. Ich hielt mich immer wieder zwischendurch zeitweise mit solchen Jobs über Wasser. Ich jobte in einem Callcenter. Promotete ein paar Monate für eine Belgische Schokoladenfirma in großen Kaufhäusern. Schleppte ein paar Wochen einen transportablen Backofen zu Großhandelseinnrichtungen und brutzelte verkaufsfördernd irgendwelche Produkte. (Den Geruch konnte ich nach zwei Tagen nicht mehr ertragen.) Eine Saison verkaufte ich Wein. (Diesen Job hasste ich.) Und ich verkaufte zwei Jahre im Direktmarketing hochwertige Porzellane, Gläser und Bestecke, bis dieser Zweigbetrieb eines großen Konzerns liquidiert wurde.

Das alles geschah, nachdem ich dreiundzwanzig Jahre in  meinem Beruf als Chefsekretärin gearbeitet hatte. Es gab einen Ruck durch die deutsche Politik. Der Osten wurde abgewickelt. Die Unternehmen verhökert oder plattgemacht. Die Leute standen auf der Straße, ältere wurden in den Vorruhestand geschickt.

Ich machte stattdessen eine sehr gute Weiterbildung in Salzburg, nahm ein Fernstudium auf, jobte und machte mich selbständig.

Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass diese “Jobs” ein Stück meiner Lebenserfahrung sind. Ich habe mich in dieser Zeit bewegt und habe nach Lösungen gesucht, über die Runden zu kommen. Während dieser Zeiten traf ich unendlich viele Menschen und führte Gespräche, die zum Teil sehr bereichernd waren. Ich kann es nicht einschätzen, wie mein Lebensweg verlaufen wäre, hätte ich mich in die Opferrolle begeben und den Weg der “sozialen Absicherung” gewählt.

Die Tastatur ist mein Instrument bis zum heutigen Tag, und das seit ich den ersten Schritt an einer Schreibmaschine tat.

Ich bin ganz neugierig. Welche Jobs hattest Du?

Einen herzlichen Gruß in Euren Donnerstag schickt Euch,

Eure Petra Kolossa.

2 Gedanken zu “Irgendwie über die Runden kommen

  1. Oh Petra, da muss ich wirklich in mich gehen. Ursprünglich wollte ich in meinem erlenten Beruf als Friseurin auch nach dem ersten Kind weiterarbeiten. Da aber mein Mann ehe das Kind zur Welt kam tötlich verunglückte, war das keine Option, denn es gab damals noch keine Tagesmütter oÄ und keine Oma, die die Kinderbetreuung übernehmen wollte/konnte. Da bin ich mit meinen jungen Geschwistern in eine Wohnung gezogen und habe Nachts von 1:00 bis gegen 6:00 die Tageszeitung ausgetragen. Mein Kind schlief und war bei meinen Geschwistern gut aufgehoben. Dafür habe ich ihnen die Mahlzeiten zubereitet und so eine Art Mutterrolle übernommen.
    Zum Wochenende konnte ich in meinem früheren Ausbildungsbetrieb arbeiten und die Mutter meiner Chefin betreute dann die Kleine. Aber das Leben hatte noch so einige Tücken bereit und ich war genötigt, jede Arbeit, die zu vertretbaren Zeiten getan werden konnte anzunehmen. Ich habe auch einige Jahre, so wie du, Wein im Aussendienst verkauft. Aber auch verschiedene Putzstellen, einige über viele Jahre waren dabei. Ich habe auch mal LKW abgeladen in den früheren 90er Jahren. Das war der härteste Job und der mit 7 DM am schlechtesten bezahlte. Gekellnert habe ich auch in verschiedenen gastronomischen Betrieben. Dadurch, dass mein 2. Ehemann auch sehr früh verstarb blieb mir nichts anderes übrig, denn die Rente war sehr niedrig und die Halbwaisenrente für die Kinder lag weit unter dem, was ein geschiedener Mann mit dem niedrigsten Satz als Unterhalt hätte zahlen müssen. Ja ich hätte vermutlich auch zum Amt gehen können aber ich glaube, unsere Generation tickte da auch noch etwas anders.
    Stolz bin ich, dass alle Kinder eine gute Ausbildung haben und zwei sogar studieren konnten.

    • Liebe Britta, da kannst Du wirklich stolz auf Dich sein. Du erwähntest die Nachtarbeit. Da erinnere ich mich noch, dass ich in der Hochsaison der Post, also im Sommer und zur Weihnachtszeit, in der Nacht im Briefverteilzentrum die Briefe sortiert habe. Das war irgendwann 1978. Ich staune immer wieder, wieviel Kraft wir Frauen und Mütter aufbringen, um das Leben meistern zu können.

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