Praktizierst du eine Religion?
Ein klares Nein. Je älter ich werde, desto mehr bin ich dankbar, nie getauft, oder von einer dieser hier ansässigen Institutionen vereinnahmt worden zu sein.
Ich weiß, es sind harte Worte und sicher werden diese bei einigen meiner Leser einen heftigen Aufschrei der Empörung auslösen. “Wie kann sie nur?!”
Vorab möchte ich erwähnen, dass ich all jene Menschen schätze, die mit ehrlichem Herzen und im guten Glauben an ihrer Religion festhalten, diese leben und zelebrieren. Dabei ist es völlig gleich, in welche sie hineingeboren wurden oder welche der vielen dieser Welt sie selbst wählten.
Da ich selbst völlig konfessionsfrei aufwuchs, gab es die Diskussion Kirche bei uns zu Hause, wie auch in der Schule nicht. Christenlehre, wie es damals genannt wurde, heute wohl Religionsunterricht, fand am Nachmittag außerhalb der Schule statt. Es war die freie Entscheidung eines jeden, seine Religion zu leben. Ging man dieser nach, dann in der eigenen Freizeit. Der Staat mischte sich nicht ein. Ich wuchs in Dresden auf.
Als Kind las ich den Roman “Die drei Musketiere” von Alexandre Dumas. Dieser brachte mich damals etwas zum Nachdenken. Ich verstand die Macht der Kirche und die Verbandelung mit dem regierenden Könighaus nicht. Aber als Elf- oder Zwölfjährige war mir das letztendlich auch egal und ich nahm die Geschichte als spannendes Abenteuer. Ich denke, dass ich dieses Buch im Jetzt noch einmal lesen sollte.
Als ich irgendwand nach der neuen Geschichtsschreibung Deutschlands, so um 1990 einen neuen Personalbogen ausfüllen sollte, stolperte ich darüber, angeben zu müssen, ob ich einer Konfession zugehöre. Das konnte ich nicht verstehen. Was geht das meinen Arbeitgeber an, fragte ich. Nun ja, wegen der Kirchensteuer, erfuhr ich. Welcher Kirchensteuer? Was hat das mit dem Unternehmen zu tun, in dem ich arbeite? Es ist doch meine ganz private Sache, ob und zu welchem Gott ich bete. Nein, das müsse sein. Die Steuern für die Kirche werden direkt vom Lohn oder Gehalt für die Kirche abgezogen. Wow! Das war vor über dreißig Jahren. Seit dieser Zeit habe ich bei allen möglichen Formularen der Städte und Gemeinden, bei denen ich mich an- oder umgemeldet habe, bei jeglichem Steuerkram, beim Ausfüllen eines Formulars für den Personalausweis oder Pass etc. immer wieder diese Frage nach meiner Konfession verneint. Und ich frage mich bis heute: Welchen Einfluss hat die Institution Kirche auf den Staat?
Die Kirche, ein Konzern, ein Wirtschaftsunternehmen mit einem mächtigen Überbau, das reichste Unternehmen der Welt mit einem unglaublichen Immobilien- und Firmenbesitz.
Ich lebe seit zehn Jahren in einem kleinen Dorf nahe dem Bodensee. Nur wenige Meter von dem Haus entfernt, in dem ich wohne, steht eine Wallfahrtkirche. Es ist eine Katholische Kirche und es gehört zum guten Ton, dazuzugehören. Ich beobachte seitdem die kirchlichen Rituale. Es ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich im Rahmen ihres Glaubens verbinden. Ich beobachte, dass das Gemeindeblatt bevorzugt viel Raum für die kirchlichen Aktivitäten einnimmt.
Und ich frage mich, wie können die Menschen diesen ganzen Sumpf, die Schandtaten, die Verbrechen, auch die an den Kindern, mit derartiger Ignoranz begegnen, namhaften Würdenträgern das Predigen von Wasser und das Saufen von Wein verzeihen. Immer und immer wieder. Ich denke, jahrelang tröpfchenweise Eingetrichtertes kann sich nur langsam gegen Neues freisetzen, wenn man es zulässt. Es ist eine mentale Abhängigkeit, aus der es schwer zu entkommen scheint.
Wenn ich hier von “Kirche” spreche, meine ich das große gesamte Konstrukt. Von den kleinen Gemeinden spreche ich nicht. Denn ich denke, sie machen in gutem Glauben eine engagierte Arbeit.
Was ist Gott? Eine Person, eine Fiktion? Ich denke, Gott ist nicht ER. Gott ist ES. Es steckt in uns allen. Wir Menschen, wie all das was lebt und beseelt ist, ist Gott. Wir alle sind miteinander verbunden. Es ist eine einzige Religion, ganz gleich, auf welchem Zipfel der Erde wir leben. Aus meiner Sicht sind Glaubenskriege eine äußerst üble fanatische Sache und widersprechen allem Gepredige dieser Kirchen, Moscheen und sonstigen Einrichtungen.

Das Thema ist ziemlich mutig. Ich weiß das. Und man spricht nicht gern darüber. Vielleicht bin ich auch etwas provozierend. Aber sei Dir sicher, ich wollte keinem auf den Schlips treten 😉
Wie ist es mit Dir? Wie stehst Du zu diesem Thema?
Einen guten Mittwoch wünscht,
Eure Petra Kolossa.
Liebe Petra
Ich bin evangelisch und trage mich seit Jahren mit dem Gedanken, aus der Kirche auszutreten. Besonders, wenn ich sehe wieviel Kirchensteuer ich zahle. Die Institution Kirche sehe ich ähnlich wie du. Was mich aber bisher abhält, den letzten Schritt zu tun ist, die Zugehörigkeit zur Gemeinde. Das ist vermutlich schwer zu verstehen. Ich lebe ja wieder in meinem Geburtsort und hier fühle ich mich vielleicht irgendwie nicht vollständig, wenn ich austrete? Das ist sicher irgendwie bescheuert, aber ich kann es nicht anders ausdrücken.
Gleichzeitig ärgere ich mich, dass meine Tochter, die berufstätig ist und ebenfalls evangelisch, Kirchensteuer bezahlt, mein Schwiegersohn, der keiner Kirche angehört wegen der Zugehörigkeit seiner Frau auch noch einige hundert Euro zusätzlich als sogenanntes Kirchgeld abdrücken muss, weil das gemeinsame Einkommen einen bestimmten Betrag übersteigt.
Nach den Skandalen der letzten Jahre muss man sich tatsächlich selbstkritisch fragen, warum man diese Organisationen finanziell auch noch unterstützt .
Vielen Dank für Deine Zeilen, liebe Britta. Ich kann Dein Zaudern vollkommen verstehen. Es wäre schließlich etwas Endgültiges. Ein Schlussstrich unter dem, was Dein ganzes Leben zu Dir gehört. Mit einer lieben Bekannten sprach ich vor einiger Zeit über dieses Thema. Eigentlich sprach sie mit mir darüber. Sie ist inzwischen über achtzig Jahre alt, gehört der Katholischen Kirche an und quält sich mit den vielen belastenden Dingen, mit denen sich diese Kirche herumschlägt. Auch sie sprach ähnlich wie Du. … man müsste, aber sie kann nicht.