… aufgeschnappt und ausgespuckt

Noch knapp zwanzig Minuten, dann wird die Fähre anlegen und mich gemütlich von Konstanz nach Friedrichshafen schippern.

Auf einer bequemen Bank, mache ich mich breit. Mein Blick ruht auf dem Hafen. Wie doch dieser grässliche Betonklotz die Kulisse ruiniert, denke ich.

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Bild: Holger Wagner

Herrlich, noch eine viertel Stunde Zeit, ich krame meinen Tolino aus der Tasche, schlage ihn auf, um in meinem Buch zu lesen.
Gerade habe ich mich in die ersten Zeilen vertieft, als sich zwei Männer laut diskutierend auf der anderen Seite meiner in Beschlag genommenen Bank fallen lassen.

„Ick kann dir sagen, ick hab nischt, aber überhaupt nischt gegen die. Die können nischt dafür, dass die dort untergekommen wurden, wo die jetze sind“, erklärt der eine dem anderen in einem saloppen Slang. „Und weeste, der zuvor da war, den se rausgehauen haben, weil dat arme Schwein ’ne Tüte mit abgelaufenen Fressalien mitgehen ließ, war och in Ordnung. Irgendwo aus Asien kam der, ick wees nich genau.“
„Ist der blöd? Warum macht der so was?“
„Gelegenheit, einfach Gelegenheit. Lag ja sozusagen im Müll“, sagt er und redet gleich weiter. „Hast du schon mal einen gesehen, der bei ’ner Reinigungskolonne reich geworden ist?“
„Nö. Aber jeder weiß, dass das verboten ist.“
„Klugscheißer!“

Die zwei zünden sich eine Zigarette an und ich fühle mich ertappt, weil ich total neugierig dem Gespräch folge. Meine Augen stieren auf Tolino und die Ohren hängen am Gespräch hinter meinem Rücken.

Der eine stößt seinen Qualm genussvoll  aus und nimmt das Gespräch wieder auf:
„Tja, und jetze ham wir ’nen Schwarzen. Der is bestimmt ein cooler Typ. Kann schon sein. Nur versteht der keen Wort Deutsch. Es heißt, der würde Deutsch lernen, aber ick merk nischt davon. Is ja ooch alles jut.“ Er überlegt kurz und meint: „Weeste, die armen Kerle könn nischt dafür. Die Politiker, die dat eingerührt haben, die allet off die janz unten abwälzen, die interessiert dat nich, wie wir klar kommen.“
„Hör mir auf mit Politik, die ist mir egal“, sagt der andere.
„Sollte aber nicht. Allet is Politik“, belehrt der erste. „Pass uff. Der Schwarze kam zu mir und wollte irgend etwas. Ick hab ihn ja nich verstanden. Dann begriff ick, dass ick ihm irgendeine Maschine erklären sollte, die ick selber nie bedient habe.“ Er schnaubt kurz:  „Sollte da mal einen Kurs machen. Unbezahlt! Dat bei Mindestlohn. Hab’s mir bisher verkniffen“, ergänzt er.
„Also gleich mal zwei Unbekannte. Sprache und Technik!“, warf der andere altklug ein. „Jo, so könnte man sagen. Dann kam noch die aus dem Büro oben dazu. Die meinte, die Chefin hätte gesagt, ick solle ihm dat erklären. Ick sagte, wie soll ick dat erklären, wenn der mich nicht versteht? Da meinte die, ick soll mir Mühe geben. Da hab ick ihr gesagt: ‚Richte der Chefin aus, dat sie sich darum kümmern soll, dat Frau Merkel einen Dolmetscher schickt …“

Die Fähre sendet ihr Signal und wird gleich anlegen. Ich schiebe meinen Tolino in die Tasche. Beim Aufstehen drehe ich mich um und sehe die beiden Männer, irgendwo in den Dreißigern,  noch immer rauchend und ernsthaft in ihr Gespräch vertieft.

Ich schlendere zum Anleger und denke bei mir, wie viele Aspekte,  in diesen wenigen, einfachen, Sätzen frequentiert wurden, wie breit doch das politische Geschehen greift und bewegt. – Hass? Nein, Hass hörte ich in keinem Satz.

… etwas nachdenklich, Eure Petra Kolossa.

 

 

 

 

Ein Gedanke zu “… aufgeschnappt und ausgespuckt

  1. Danke für deinen Einblick, liebe Petra. Ich bin der Meinung dass sowieso Hass von einer bestimmten Personengruppe vor Allem dort geschürt wird, wo Menschen kaum mit den wahren Problemen in Berührung kommen…ob es Flüchtlinge sind, die noch gar nicht angekommen sind oder Burkaträgerinnen, die noch nie jemand gesehen hat….
    Zu jeder Situation gibt es Schreihälse, die lautstark Probleme herbeikrakelen, die es in der Form nicht gibt….

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